Steißbeinschmerzen – ein oftmals unerkanntes aber häufiges Beschwerdebild nach Schwangerschaft und Geburt

Was versteht man darunter?

Mit dem Begriff „Coccygodynie“ bezeichnet man Schmerzen, welche typischerweise in der Region des Steißbeins (Os coccygis) lokalisiert werden können. Der Begriff umfasst ein chronisches Schmerzsyndrom, das langwierig und für die betroffen Frauen höchst unangenehm ist. Bekannt ist die Coccygodynie in erster Linie wegen ihrer Langwierigkeit und der Schwierigkeit, sie vollständig „wegzubekommen“.

Bezüglich der Häufigkeit betrifft sie mehr Frauen (80 %) als Männer. Die Ursache ist komplex und vielseitig, auffällig jedoch ist, dass das Beschwerdebild häufig bei Frauen nach einer Schwangerschaft oder Geburt auftritt.

Um sich die Schmerzregion gut vorstellen zu können, benötigt man ein paar anatomische Hintergrundinformationen. Das Steißbein bildet das untere Ende unserer Wirbelsäule. Es besteht aus 2 bis 5 Knochensegmenten, welche miteinander fest verwachsen sind. Von der Entwicklung des Menschen her gesehen ist es der rückgebildete „Schwanz“, welchen wir nicht mehr benötigen, seit wir uns auf zwei Beinen bewegen. 

Welche Beschwerden habe ich bei einer Coccygodynie?

Dadurch dass das Steißbein das letzte Glied der Wirbelsäule ist, klagen Betroffene in erster Linie über unangenehme Schmerzen beim Sitzen, vor allem auf harten Flächen (harter Sessel, Gartenbank, Badewanne etc.). Oftmals äußert sich der Schmerz sofort beim Hinsetzen oder nach längerer Sitzdauer bzw. auch beim Aufstehen. Durch den massiven Druck auf den Knochen kommt es häufig zu einer Reizung der Knochenhaut, welche das Steißbein umgibt, man spricht von einer Periostitis. Die Knochenhaut ist sehr gut innerviert, dadurch können intensive Schmerzen entstehen.

Diagnostiziert wird das Beschwerdebild aus ärztlicher Sicht primär über ein Röntgen und über eine klinische Untersuchung beim Orthopäden. Da die Position des Steißbeines und der Winkel zum Kreuzbein (Os sacrum), das oberhalb des Steißbeins liegt, von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist, wird häufig auch eine MRT (Magnetresonanztomografie) durchgeführt. Bildgebende Verfahren werden immer herangezogen, um schwerwiegende Erkrankungen (beispielsweise einen Tumor) ausschließen zu können. Für die Coccygodynie ist die klinische Untersuchung häufig das Mittel der Wahl zur Diagnosestellung und in weiterer Folge auch für die Behandlung.

Auch PhysiotherapeutInnen/OsteopathInnen befunden und behandeln dieses Beschwerdebild nach klinischen Tests. Es gibt einige sehr gute klinische Tests, welche den Verdacht bestätigen oder widerlegen können. Wichtig ist auch hier eine genaue Anamnese. Wie oben bereits erwähnt sind Schwangerschaft und/oder Geburt häufige Auslöser für das Beschwerdebild Coccygodynie.

Schwangerschaft und/oder Geburt als Auslöser

Bereits während der Schwangerschaft ergeben sich häufig Steißbeinschmerzen aufgrund der Veränderung im knöchernen Beckenring. Durch die hormonelle Umstellung des Körpers lockert sich der Beckenring. Vor allem das Schambein (Os pubis ) bzw. hinten die beiden Kreuz-Darmbeingelenke (Iliosakralgelenke), das Kreuzbein (Os sakrum) und weiterführend auch das Steißbein (Os coccygis) sind dabei betroffen.

Diese Lockerung der Strukturen ist unerlässlich, um dem Kind den Weg in den Geburtskanal bzw. auch den Austritt durch das Becken der Frau zu ermöglichen.

Zur rein knöchernen Dehnung des kleinen Beckens kommt auch noch eine massive Überdehnung und Lockerung der Weichteile und der Muskulatur im gesamten Becken, welche die Symptomatik verstärkten kann. Es entsteht mehr Zug am Steißbein, dieses wird gereizt, was zu einer Entzündungsreaktion führen kann.

Last but not least kann dieses Beschwerdebild auch durch die Geburt verstärkt oder ausgelöst werden. Bei einer Geburt wird vermehrt Druck auch auf das Steißbein ausgeübt, sodass dieses einerseits in seiner Position leicht verändert werden oder auch stark gereizt werden kann. Auch  steht das Kreuzbein nach einer Geburt häufig nach vorne gekippt in einer sogenannten „Nutationsposition“, was wiederum die muskulären und nervalen Strukturen betrifft bzw. auch das Steißbein in seiner Position verändert.

Ursache und Wirkung sind gerade hier umfangreich und komplex und werden in einer genauen Befundung erhoben und auch behandelt.

Obwohl im obigen Absatz die Coccygodynie nach einer natürlichen Geburt beschrieben wurde, erlebe ich in meiner täglichen Praxis, dass auch Frauen nach einem Kaiserschnitt häufig an derartigen Beschwerden leiden.

Kommt es abseits von Schwangerschaft und Geburt zum Beschwerdebild der Coccygodynie, sind häufig Stürze auf das Gesäß oder krankhafte Veränderungen der Bandscheiben im Endbereich der Wirbelsäule Auslöser für die Schmerzen.

Die gute Nachricht – es gibt Hilfe!

Schulmedizinisch wird die Coccygodynie (vor allem akut) klassisch über eine medikamentöse Schmerztherapie behandelt, in Tablettenform oder lokal mit Spritzen. Als kurzfristige Schmerzlinderung ist dies das Mittel der Wahl.

Um langfristig die Beschwerden in den Griff zu bekommen und diese in ihrer Ursache zu behandeln, gilt es die Strukturen „rundherum“ zu bearbeiten und alle Systeme des Körpers wieder gut in Balance zu bringen.

Als Osteopath/-in untersucht man die drei Systeme (parietal, viszeral und kraniosakral) des Körpers, löst (bei Bedarf mit Manipulationen) die Blockaden und gibt so dem Körper die Möglichkeit sich durch die Entlastung zu regenerieren. Es kann auch sein, dass das Steißbein rektal (durch den Enddarm) in seiner Lage korrigiert werden muss, um es zu lösen und wieder beweglich zu machen.

Auch sind rektale Techniken für betroffene Frauen nicht so unangenehm wie sie sich anhören. Nur dafür ausgebildete TherapeutInnnen wenden diese Therapieform an und gehen dabei mit größtem Feingefühl vor.

Muskulär betrachtet ist häufig eine gute Stabilisation des Rumpfes und des Beckenbodens erforderlich, um die Beschwerden nicht erneut auszulösen. „Rumpfstabilität bzw. Core-Stabilität“ ist hierfür ein bekanntes Stichwort, welches die angrenzenden muskulären Strukturen bezeichnet, die für die nötige Stabilisation zuständig sind. 

Überdehnte Strukturen werden niemals erneut gedehnt – der therapeutische Ansatz umfasst vielmehr eine Dehnung von „angenäherten bzw. verkürzten Strukturen“, um so den Zug, der zu der Coccygodynie führt, aufzulösen.

Es gibt viele Möglichkeiten, um die Beschwerden zu lindern und sie häufig sogar wirklich gut wegzubekommen – keinesfalls muss man (bzw. Frau) sie als gegeben hinnehmen.

Dies war nur ein kleiner Auszug aus möglichen Behandlungsoptionen und Therapieansätzen, um die Thematik kurz zusammenzufassen und zu erklären.