Leisten- und Rückenschmerzen bei Sportlern
Über Leistenschmerzen klagen Männer in meinem Umfeld häufig. Ich bin in meiner Freizeit gerne mit dem Rennrad unterwegs, aktives Mitglied in einem Rad-Club und habe dadurch oft mit Männern unterschiedlichen Alters zu tun, die zwar durchaus sportlich sind, aber oftmals über Schmerzen in der Leiste und im Rücken klagen und die möglichen Ursachen dafür nicht kennen.
Es gibt einen häufigen Ursache- Wirkungszusammenhang zwischen sportlicher Betätigung, der Situation am Arbeitsplatz, Belastungen im Alltag und unspezifischem Kreuzschmerz bzw. auch Schmerzen im Becken- und Leistenbereich.
Auch Profis wissen nicht alles
Kürzlich gab es dazu eine spezielle Situation, welche mein Therapeutenherz sehr erfreute. Ein sehr sympathischer ehemaliger Radprofi schenkte mir für einige Behandlungen sein Vertrauen nach einem Sturz mit seinem Rennrad. Dabei kamen wir ganz zufällig auf die Themen Leistenschmerzen, Rückenschmerzen etc. zu sprechen. Ich bat ihn daraufhin auch meine Texte zum Thema „Männergesundheit“ auf meiner Website zu lesen, um eine unvoreingenommene männliche Meinung zu diesem Thema zu erhalten. Nachdem das Nachlesen höchste Verwunderung bei ihm ausgelöst hatte, war für mich klar, dass es hier noch viel Aufklärungsbedarf gibt.
Die Physiotherapie und Osteopathie haben im Sport, insbesondere im Spitzensport, schon lange einen hohen Stellenwert, der in den letzten Jahren noch deutlich gestiegen ist. Für mich zeigte sich, dass auch Männer, die jahrelang in Spitzensport tätig waren, noch nichts davon gehört haben bzw. bei Problemen noch nie entsprechend behandelt worden sind. Umso mehr muss es für JederMANN erst recht ein Mehr an Informationen geben.
Häufig sind Überlastungen oder Fehlbelastungen im Rückenbereich (auch durch sportliche Aktivität) Auslöser für Rückenschmerzen. Die „Vielzahl der Faktoren“ macht das Gift, was aber nicht heißt, dass diese Probleme nicht häufig durch die Person selbst mit gezielten therapeutischen Maßnahmen in den Griff zu kriegen sind.
Die Leiste und der Leistenkanal beim Mann
Ein häufiges Beschwerdebild ist ein „Ziehen in der Leistengegend“, das subjektiv sehr unangenehm sein kann und auch schon Fußballkarrieren beendet hat. Hier ist die physiotherapeutische und osteopathische Befunderstellung äußert komplex.
Liegt die Ursache der Schmerzsymptomatik tatsächlich in der Leistenregion? Wie ist die lymphatische und venöse Versorgung in dieser Region? Gibt es Stauungen und dadurch eine schlechte Versorgungssituation im Beckenbereich? Wo genau befindet sich eigentlich die sogenannte „Leiste“, von der bereits bei Schuluntersuchungen bei Kindern gesprochen wird? Liegt eine Bruchstelle (Hernie oder Leistenbruch) vor? Wie palpiert (ertastet) man den Leistenkanal?
Der Leistenkanal beim Mann ist im Gegensatz zur Frau gut tastbar, es gibt auch eine Untersuchung, welche Bruchstellen (Hernien) ohne bildgebende Verfahren vor-ausschließen kann. Wird ein Bruch vermutet, wird dieser über eine Ultraschall-Untersuchung beim Urologen/der Urologin bestätigt. Leistenbrüche werden häufig jedoch gar nicht mehr operativ behandelt, sondern konservativ (ohne chirurgischen Eingriff) – mit gezielter Physiotherapie.
Diese und natürlich noch mehr Parameter sind für mich therapeutisch relevant, um gut und gezielt an den Problemen und am Schmerz des jeweiligen Patienten arbeiten zu können.
Adduktorenverletzungen sind eher bekannt, da man diesen Begriff aus den Medien kennt, da diese bei Fußballern häufig auftreten. Hier ist es Aufgabe des Therapeuten/der Therapeutin überlastete und überdehnte Strukturen herauszufiltern und verkürzte Strukturen zu palpieren (ertasten). Oftmals findet sich bei solchen Beschwerdebildern ein schwacher Beckenboden, welcher trainiert werden muss, um die überlastete Muskulatur zu entlasten und Zerrungen und Verletzungen vorzubeugen.
Der männliche Beckenboden und seine Funktion
Soviel gleich vorneweg – der Mann, und zwar jeder Mann, hat einen Beckenboden und dieser erfüllt ganz wichtige Aufgaben. Auch wenn Männer kein Kind gebären müssen, so können sie dennoch im Laufe ihres Lebens von einer Form der Beckenbodenschwäche (Inkontinenz) betroffen sein.
Was genau muss der männliche Beckenboden leisten?
Zum einen stützt er die Organe im Körperinneren und hat somit eine wichtige Funktion in Zusammenhang mit der Lendenwirbelsäule. Ohne Beckenboden würde – übertrieben ausgedrückt – die Blase keinen Halt haben, da sie das am tiefsten gelegene Organ ist. Dies bringt mich schon zum Thema – durch mögliche Erkrankungen der Prostata kann es zu einer „Lücke“ an Füllmaterial im Körperinneren kommen und Harninkontinenz kann die Folge sein, was die Lebensqualität stark negativ beeinflusst.
Die Prostata
Prostataerkrankungen nehmen in der heutigen Zeit signifikant stark zu. Häufig erkranken auch junge Männer, die noch aktiv im Leben stehen und ihre Hobbies bzw. ihren Alltag aktiv meistern wollen. Dazu fällt mir ein ehemaliger Patient ein, der Turnlehrer an einem Gymnasium war und in Folge einer Ausschabung der Prostatadrüse keine Turnmatten für seine Schüler mehr in den Turnsaal tragen konnte. Durch das Anheben der Matten entstand zu viel Druck auf seine Blase und er verlor unkontrolliert Harn. Bei ihm gab es einen glimpflichen Ausgang der Situation, denn mit einem gezielten Beckenboden- und Blasentraining bekam er die Situation nach einiger Zeit in den Griff und konnte Beruf und Alltag wieder gut meistern.
Interdisziplinarität – mehr als nur ein Stichwort
Ich sehe es als meine Aufgabe aufzuzeigen, dass wir TherapeutInnen eng in diesem Fachgebiet mit UrologInnen, ProktologInnen und MedizinerInnen verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten, um für die Patienten ein optimales Ergebnis zu erzielen. Auch die Ernährung spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Die Darmfunktion sollte optimal sein, um den Beckenboden zu entlasten und um Stauungen zu vermeiden, die wiederum eine schlechte Versorgung in der Region mit sich bringen würden. Beim Stuhlgang sollte das Pressen vermieden werden, um den Beckenboden nicht zusätzlich zu belasten. Hierfür muss die Ernährungssituation gut sein. Auch Übergewicht verschlechtert die Kontrolle über Blasen- und Darmfunktion, da zusätzliches Gewicht die Strukturen vermehrt belastet. Somit sind auch Betroffene aufgefordert, selbst etwas beizutragen und die Verantwortung nicht nur behandelnden ÄrztInnen, TherapeutInnen, DiätologInnen, ErnährungsberaterInnen etc. zu überlassen.
Tipps und Tricks für den Alltag
Was kann jeder Mann nun selbst beitragen, um seine Beckenregion zu entlasten bzw. den Beckenboden zu stabilisieren? Wichtig ist es zu der regelmäßigen Belastung (wie im Beitrag erwähnt Rennradfahren oder Fußballspielen) ein gutes Rumpftraining zu absolvieren, um die muskuläre Stabilität zu gewährleisten. Dehnungen und Stretching als Ausgleich sind auch zu empfehlen, um vor allem die zur Verkürzung neigende Muskulatur beweglich zu halten. Gezielte Atemübungen gewährleisten eine gute „Drainage“ in der Beckenregion und haben einen positiven Effekt. Bei bereits vorhandenen Beschwerden ist es sinnvoll das Beckenbodentraining unter Anleitung eines Therapeuten/Therapeutin durchzuführen. Es ist anfangs nicht ganz leicht, die richtige Muskulatur anzusteuern und zu koordinieren – aber Übung macht den Meister und führt auch langfristig zum Erfolg.